Wir waren also am Amt – und haben nicht wirklich etwas weiter gebracht, weil ein Dokument fehlte, das wie Geburtsurkunde und Heiratsurkunde zusammen fungiert, also alle familiären Verhältnisse festhält. Dieses Dokument kann aber nur im “registrierten Heimatort” ausgestellt werden, der im Grunde unveränderlich und in unserem Fall Toyama – 4 Stunden mit dem Zug entfernt – ist. Glücklicherweise können das auch Familienmitglieder ausstellen lassen, also gingen Ikumis Eltern brav zum dortigen Amt und schickten uns per Eilpost das besagte Papier.
Sie schickten uns also das Papier – und wir haben es noch nicht wirklich erhalten, weil wir zu dem Zeitpunkt nicht zuhause waren. Kein Problem, die Postbotin hinterlässt ja einen Zettel im Briefkasten, oder? Ja, schon, nur ist der hier eine Postkarte, rückadressiert an das Postamt, mittels derer man bekanntgeben soll, ob man denn grundsätzlich an dieser Adresse anzutreffen sei. Nicht wann oder unter Angabe einer Telefonnummer, nein nein, nur ob. Und das schickt man dann, eh klar, per Post ans Postamt zurück. Woraufhin die Postbotin wohl irgendwann wieder vorbeikommt. … Es wird schon klappen, es gibt für alles ein System.
In der Zwischenzeit schauten wir uns ein paar weitere Wohnungen an und haben uns dann für die entschieden, die wir schon zu Anfang sahen. Nur haben wir jetzt das gute Gewissen, dass es wirklich die beste der verfügbaren Wohnungen ist. Wobei wir merkten, dass der Preis umgekehrt mit den Höhenmetern korreliert. Und zwar so: Mietwohnungen haben meist keine Garagenplätze – einen solchen braucht man aber, um in Japan überhaupt ein Auto anmelden zu können. Es gibt nämlich kein (gar kein!) öffentliches Parken. Wo also keine Garagenplätze sind, gilt: Je höher gelegen desto schweißtreibender der Aufstieg. Und da haben geübte Schafberger:innen dann einen Startvorteil.
Wir testeten das natürlich vor der Entscheidung aus. Und tatsächlich ist es nicht schlimm. 10 Gehminuten von der Bahnstation, die umgeben ist von lieben Cafés, Bäckereien wie dem “Roggen-Meyer” und natürlich einem soliden Supermarkt, 10 Gehminuten auch durch ruhige Straßen zur Volksschule und zum Kindergarten.
Wir haben uns also für die Wohnung beworben und die Vermieterin sagte schon mal zu. Was kann da noch schiefgehen? Naja … es gibt für alles ein System. Und in diesem Fall heißt das: eine Garantiefirma. So eine wird im Mietprozess immer eingeschaltet und die sind pingelig. Im Antragsformular gab ich Ikumis Telefonnummer als meine an. Ujujui, Fehler! Ich gab auch zum Namen von Ikumis Vater die Telefonnummer von Ikumis Mutter an. Ujujujujui, schwerer Fehler. Die haben uns echt getadelt, dass wir doch bitte die richtigen Telefonnummern nachreichen mögen. Also, solche Sachen können schiefgehen, wenn man in einem Land, in dem es für alles ein System gibt, das System nicht so ganz ernst nimmt.
Nun habe ich zwar eine Telefonnummer, aber noch kein Telefon. Weil mein österreichisches iPhone noch für A1 gesimlockt ist. Und natürlich habe ich den Prozess schon angestoßen, aber das sind halt wieder Wiener:innen, die mich – man möchte auch hier ein System unterstellen – im Kreis schicken. Und so hängt es jetzt von A1 in Wien ab, wann (und ob?) wir in Kobe zu unserer Wohnung kommen. … Was soll schon schiefgehen?
Was geschah noch?
Eine Bergfahrt auf die Hügel hinter Kobe, mit Seilbahn und Gondelbahn; ein Besuch auf einem Schauhof mit Kühen und Schafen, wo ich zum ersten Mal eine wirklich liebe Kuh sah, ein Kälbchen zwar, aber wirklich lieb, und vermutlich auch sehr lecker; ein Besuch im Haus des Meeres, wo sie versuchen alles ein bisschen mit Kunstinstallationen spannender zu machen, was teilweise gelingt (die Aquarien als Planeten oder der Koi-Teich mit Lichtinstallation), teilweise nur deshalb funktioniert, weil die Tiere halt an sich interessant sind (so die im Museum frei herum “laufenden” Riesenschildkröten samt diese immer begleitenden Bewacher:innen); ein Hallo bei meinen zukünftigen Arbeitskolleg:innen mit Führung über den riesigen und verwirrend angelegten Campus; und Wildschweine: in offenen Kanälen, auf Seilbahnschienen und sogar als Unimaskottchen sind sie in der Stadt allgegenwärtig.
Eine Episode noch. Als unsere Umzugssachen aus Sapporo in Wien ankamen, waren in den Kisten auch ein paar getrocknete Blätter, die der Wind durch die Wohnung (in Sapporo) in die Kisten geweht hatte und die wir uns als physisches Andenken an die Zeit aufhoben. Wir hatten sie in einem gläsernen Bilderrahmen, der nun auch wieder nach Kobe mitmusste. Wir stellten ihn im Hotelzimmer auf und bemerkten, dass Glas und Blätter zwar noch völlig intakt waren, der dünne Metallrahmen aber an einer Stelle gebrochen war. Nicht so schlimm. Beim Umzug ins Dreiwochenapartment (ach so, ja: nicht das, das wir gebucht hatten, das ist immer noch kaputt, sondern in ein anderes, größeres und besser gelegenes, wo wir jetzt auch bleiben können) vergaßen wir den Rahmen aber im Hotelzimmer. Auch nicht so schlimm, wir bemerkten es rasch, gingen zum Hotel und bekamen es auch wieder – mit stillschweigend gelötetem Rahmen! Auch wenn ich nur vermuten kann, dass die Putzleute befürchteten, sie hätten den Rahmen beim Einsammeln gebrochen, wo gibt es denn so etwas?
Aber das ist Japan. Nach 5 Tagen speziell in Kobe meine ich, hier ist man nicht so warmherzig wie in Sapporo. Die Leute sind pingeliger und vielleicht einen Tick desinteressierter. Dafür ist die Stadt urbaner und hat offensichtlich mehr (zumindest: Offensichtliches) zu bieten, von den Nachbarstädten Osaka und Kyoto nicht zu sprechen. Jetzt freue ich mich aber auf nächste Woche, wo ab Dienstag mein Touristenleben aufhört und das Arbeitsleben anfängt.