Mode, Mailadressen und Maxime

Hallo und liebe Grüße aus der Münzwäscherei. Gibt es so etwas in Wien eigentlich? Ein gut beleuchteter Raum mit großer Glaswand nach außen hin, mit einigen Stühlen, Tischen, Musik und Internet. Perfekt zum Teetrinken (gibt’s im Convenience Store ums Eck) und Lesen oder Schreiben. Ich stelle vor: den Münzwäschereiliteraten. … Gibt es Convenience Stores in Wien? Kleine Läden, die zu kaum erhöhten Preisen alles Wichtige verkaufen, was man zum Überleben braucht: Speisen und Getränke sowie Zutaten (Milch, Eier…), Pflegeprodukte (für Große und Kleine, für sie und ihn), manchmal auch ganz einfache Kleidung; sie dienen auch als Orte, an denen man Versicherungen einzahlen, Geld überweisen oder Post abgeben kann. Was braucht man mehr? Es gibt sie an jeder Ecke. Gibt es mehr Convenience Stores oder mehr Schreine in Japan? War eine Frage in meinem Japanischunterricht (damals, in Sapporo). Die Antwort ist: Schreine, dazu zählen aber auch ganz kleine, die wie Materln übers ganze Land verstreut sind und jeweils irgendeiner lokalen Gottheit geweiht sind.

Die meisten Schreine haben kein Fest, gehören nicht zu den ältesten Schreinen im Land, stehen nicht im Zentrum und haben keinen Städten ihren Namen gegeben.

Heute war der zweite Arbeitstag. Ich habe mir für die Arbeit ein Alter Ego zugelegt, es trägt Brille. Wollte immer schon Brille tragen, habe leider keine Fehlsichtigkeit. Es ist also eine reine Modebrille und ich komme mir immer ein bisschen albern vor, hoffe nicht als Hochstapler aufzufallen. Aber dann, was brauchen Leute Hüte, was brauchen sie Makeup? Ich darf mir nur nicht angewöhnen so zu tun, als wäre es eine echte Brille, als bräuchte ich sie wirklich. Und wenn man so was durchzieht, dann muss man es von Anfang an tun, oder zumindest macht es das einfacher, weil wer einen nicht kennt, kann einen nicht verändert finden.

Hüte sind ja leider schrecklich aus der Mode. Auch wenn eine Person wirklich gut aussieht mit Hut, eigentlich, so ist es doch ein albernes Schauspiel. Wie die Imperial State Crown auf dem 3er-Karli. In einer Zeit, in der es keine Modevorschriften gibt (naja … aber keine einheitlichen), warum sich einer von vor 70 Jahren beugen? Was willst du damit sagen, du Hutträger? Was willst du darstellen? Frauen mit Männerhut geht, vielleicht eben weil es nicht dieser althergebrachten Norm folgt. Ebenfalls verdächtig sind beispielsweise Leute mit Sonnenschirmen, obwohl gerade das ja wieder Funktionalität hätte. Zumindest in Europa, denn in Japan sind Sonnenschirme ganz normal, auch wenn es meist eigentlich Regenschirme sind. … Oder macht es genau das wieder in Europa schwierig, weil man dann Japaner:innen mimt? Ach, Normen.

Gestern durfte ich mir meine Emailadresse aussuchen, vorne und hinten. Vorne, eh klar, der Name, hätte aber auch irgendwas sein können, “Gschichtldrucker” zum Beispiel, oder “ds”. Hinten ist interessanter: Vermutlich damit die Emailadressen nicht erratbar sind, gibt es zwischen “@” und “kobe-u.ac.jp” eine aus einer Liste wählbare Subdomain. Zur Wahl stehen: people, person, port, harbor, gold, silver, platinum, garnet, amethyst, aquamarine, diamond, emerald, pearl, ruby, peridot, sapphire, opal, topaz, turquoise, boar, tiger, rabbit, dragon, buffalo, carp, eagle, hawk, lion, swallow, whale, dolphin, panther, shark, bear, panda, penguin, koala, puppy, kitty, pony, ferret, godzilla, pegasus, phoenix. Also insgesamt wäre z.B. dies eine Option gewesen: staring@godzilla.kobe-u.ac.jp

Ich bewundere ja Leute, die sich trauen etwas Nichtangepasstes zu tun und es tun weil es passt. Ich leider bin zu normiert, und so wählte ich eine Adresse, die so langweilig ist: daniel.schenz@people.kobe-u.ac.jp – weil als Mitarbeiter in der Öffentlichkeitsarbeit sollte man ja seriö*gähn*s auftreten. Die “In-Crowd”, so wurde mir scherzhaft gesagt (nachdem ich meine Adresse final und unveränderlich festgelegt hatte) nehme “port”, weil Kobe ja eine Hafenstadt ist. Bin aber nicht überzeugt, denn das ist wieder so eine “Ich”-Botschaft – niemand weiß und niemanden interessiert das. – Bitte in die Kommentare: Was würdet ihr nehmen und warum?

Wer weiß, wie ein Dampfbügeleisen funktioniert? Ich dachte ich wüsste es, ich dachte es hätte (jedenfalls: auch) etwas mit dem Zusammenpressen des Stoffes zwischen Bügeleisen und Bügelbrett zu tun. Kommen die Leute von Panasonic und verkaufen uns ein Dampfbügeleisen, das man einfach, wie so ein Infrarot-Fieberthermometer, im Abstand von 5 Zentimetern oder so an der hängenden Kleidung vorbeizieht. Mit der einen Hand. Mit der anderen streckt man die Kleidung ein bisserl. Und die Vorstellung hielt ich für Magie, aber es klappt super! Nur für ganz arg zerknitterte Sachen muss man dann doch sehr viel (also: in mehrere Richtungen gleichzeitig) strecken und dazu braucht man meist mehr Hände als man Augen im Kopf hat, außer man ist eine Spinne. Zum Glück geht das Bügeleisen auch mit Bügelbrett, dann reichen wieder zwei Hände.

Uh, Japan, wie fortschrittlich. Und dann (mein Chef will mal ein altes Haus am Land kaufen um dort eine Plattform für allerlei Ideen einzurichten) sind die Besitzurkunden für Grundstücke einfache Zettel, die im jeweiligen Rathaus liegen und auf denen nur der Name der Person vermerkt ist und sonst nichts. Und wenn Kobayashi Ayako (die hiesige Version von Sabine Maier, also einem sehr häufigen Namen) stirbt und nicht direkt Verwandtschaft vor Ort ist, kann man nicht nachvollziehen, wem das Haus vererbt werden soll. Also gibt es anscheinend einen riesigen Bestand an nichtzuordenbaren Grundstücken.

Aber Japan ist halt ein evolutives Land. Dinge, die sich bewähren (und insbesondere vor dem Hintergrund der 1. Maxime: der Katastrophenrobustheit), werden nicht einfach verändert, nur weil man könnte. So ist alles, was mit Verwaltung zu tun hat (Familienverhältnisse, Besitzurkunden, Kontodaten…) auf Papier und sehr dezentral. Und wo es wurscht ist (Bügeleisen) wird innoviert.

Was ich erst nicht verstand ist, dass es keine Mülltonnen gibt. Nicht nur, dass es keine Mistkübel für “Handmüll” gibt (man muss seinen Müll halt immer selbst mit nach Hause nehmen, man kann doch nicht erwarten, dass andere das für einen tun – 2. Maxime: gegenseitiger Respekt), es gibt auch keine Mülltonnen für den Hausmüll. Den behält man einfach bis zu dem Tag, an dem Müllsorte X dran ist (z.B.: Mittwoch ist Plastikflaschen, Glasflaschen, Aludosen) im Haus, trägt den Sack dann in der Früh zum designierten Müllablageplatz am Trottoir, von wo die Müllabfuhr ihn dann händisch und Sack für Sack aufsammelt. Wo es Krähen (bzw. sind das hier Raben, riesige Trümmer!) gibt, feiern die natürlich fröhliche Urständ. Weshalb an den designierten Müllablageplätzen wiederum oft mit Blei beschwerte Netze angebracht sind, mit denen man den Müll abdecken soll. Und an dem Punkt angekommen fragt man sich dann: Warum stellt ihr nicht einfach eine Mülltonne auf?

Die vermutliche Antwort: Dann kann man nicht mehr so gut kontrollieren, ob das auch jeweils der richtige Müll ist – 3. Maxime: Es gibt für alles ein System. Weil wenn man beispielsweise einen Papiermüllsack am Flaschenmülltag hinauslegt, oder in dem (nämlich immer transparenten) Flaschenmüllsack etwas drin ist, das keine Flasche oder Dose ist, oder wenn man nicht einen extra von der Stadtverwaltung (im Supermarkt) verkauften Müllsack verwendet (so wird Müllgebühr eingehoben), dann wird der Sack nicht mitgenommen; und bekommt dafür einen Aufkleber auf den Sack, auf dem händisch vermerkt ist, was nicht gepasst hat. So kann die Verursacher:in ihren Müll wieder mitnehmen und fürs nächste Mal etwas lernen.

Am Sonntag waren wir auf “Rokko Island”, der hiesigen Seestadt Aspern: einer im Hafenbecken aufgeschütteten Insel, die mit Wohnblöcken bebaut und mit kulturellen Einrichtungen sowie einer “Water Mall” durchzogen ist. Die Water Mall ist ein flacher Bach der explizit zum Wasserspiel mit allerlei Brunnen und Trittsteinen ausgestattet ist. Wir waren dort zum Wasserspielen. Auch dort ist das Modemuseum (will hin!) und die Deutsche Schule Kobe (will nicht hin: teuer, im Grunde eine englischsprachige Schule mit halt 2 Stunden Deutsch pro Tag, und insgesamt schlecht erreichbar).

Am Montag kamen dann Ikumis Eltern zu Besuch, ihr erster Urlaubstag in man weiß nicht wie vielen Jahren oder Jahrzehnten (sie betreiben ein Café, das nun für diesen Tag geschlossen bleiben musste). Das war schön, und wir fuhren auch mit einer Doppelmayr-Gondelbahn quer über eine Schlucht mit wunderschönen Wasserfällen auf einen der vielen Hügel, auf dem ein riesiger Kräutergarten und ein Kräuterrestaurant ist. Man kann auch durch die Wasserfall-Schlucht hinauf wandern, was ich unbedingt mal machen will.

Der Dienstag war der erste Arbeitstag für mich und der Tag an dem wir unseren Hausschlüssel erhielten. Jetzt müssen wir nur noch zumindest notdürftig einrichten und dann können wir einziehen.

Morgen ist Tag der Schulbesichtigung und übermorgen Kindergartenbesichtigung. Und außerdem ist morgen ein Arbeitstag, weshalb ich jetzt husch ins Bett muss.

2 Replies to “Mode, Mailadressen und Maxime”

  1. Servus!
    Danke für die Einblicke ins japanische Alltagsleben. Hatte mich schon Mal gefragt, wie Adressen dort funktionieren. Jetzt weiß ich es.
    @E-Mail: Hanni hätte phoenix gewählt, ich wäre bei den fantastischen Tieren hängen geblieben… wobei mich auch die garnet angesprochen hat, weil es sich wie das Wiener ”gar nicht” liest.
    Ein- bis zweimal habe ich bereits einen Regenschirm als Sonnenschirm benutzt, bin mir dann doch zu seltsam damit vorgekommen.
    Liebe Grüße,
    Ben, Hanni, Tessy, Nici und Greta

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