Ikumi braucht Zeit zu arbeiten, also ging ich am Wochenende mit den Kindern Gassi (was noch nichts mit der Protestnote zu tun hat). Angeblich soll das benachbarte Mikage so eine tolle Gegend sein, also schauten wir uns das an.
Wir erkundeten einen Park nach dem anderen, sie sind aber so wie überall: flach, spärlich bepflanzt, mit minimalen und immer denselben Spielgeräten und im üblichen Abstand zueinander. Parks bauen können sie nicht, die Japaner:innen. Und bevor eine:r jetzt mit “japanischen Gärten” kommt, das ist so wie wenn ich sage, dass die Wiener:innen ein freundliches Volk sind, nur weil die Kellner im Landtmann Manieren haben.
Aber damit sind wir schon beim nächsten Thema: In Mikage gibt es ein “Konditoratelier Secession” (das heißt wirklich so, da haben die Besitzer:innen zu viel nachgedacht, das kann hier aber eh keine:r aussprechen) und die verkaufen Wiener Torten und Kuchen. Da man hier aber nicht essen kann, wird auch ins Café Nishimura gleich nebenan geliefert. Dort gibt’s dann Möbel im nachgemachten Jugendstil und Kammermusik aus der Dose, man bemüht sich also. Kuchen und Tee sind aber tatsächlich gut. Wer uns besuchen kommt aber die einheimische Küche (die mit Schnitzel meine ich) vermisst, muss daher nicht jeden Tag zum Mäcci.
Aber es ist halt doch Disneyworld. Egal wie authentisch man versucht etwas zu gestalten, es wird dadurch immer misslingen, dass man versucht, etwas anderes darzustellen. Das gilt in jede Richtung: ein “echtes japanisches Restaurant” in Wien kann nie “echt” sein, egal wie viele Elemente von in Japan typischen Dingen man dort einbaut. Es wird erst dann authentisch, wenn die Betreiber:innen ihren eigenen Ideen Ausdruck verleihen und etwas schaffen, dass nur sie hätten schaffen können. Deshalb mochte ich das Mochi in der Leopoldstadt so gern. Skandinavische Einrichtung, lateinamerikanische Musik, Kellner:innen von überall her und auf der Karte fand man, wenn man nachdachte, schon von japanischen Gerichten inspirierte Sachen, aber doch einzigartig für hier. Das war ein authentisches, japanisches Restaurant! (Ich schreibe “war”, weil das der Stand von 2012 ist und ich keine Ahnung habe, was oder wie das dort jetzt ist.)
Wie auch immer, Mikage ist zwar voll okay, aber jetzt nicht der Ort, wo man wohnen muss. Überhaupt, was ist eine “tolle Gegend”? Klar, das ist subjektiv. Aber es ist schon konzeptionell schwierig, weil wenn man da Ideen hat (was eine “tolle Gegend” können muss), dann ist man bald an einer Stelle, wo das in der Stadt einfach nicht mehr gibt. Zum Beispiel hier mal meine Ideen: Fußläufig zum Zentrum, zu Geschäften und zur Arbeit (Es kann hier schon aus sein, wenn die Arbeit einfach vier S-Bahnstationen vom Zentrum entfernt ist.); ruhig, idealerweise mit Grünfläche vor dem Fenster, aber auch gut öffentlich angebunden; ein schönes Haus, in das man gerne heimkommt, am besten verwinkelt und komisch; idealerweise mit Wasser in unmittelbarer Nähe. – Das gibt es in Kobe nicht. Gibt es deshalb keine “tolle Gegend”? Das stimmt sicherlich auch nicht. Man muss also schon auch das Charakteristische der Stadt berücksichtigen. In Kobe ist das beispielsweise die Allgegenwärtigkeit von Meer, Hügelkette, Bahnlinien und die damit einhergehende Langgestrecktheit. Letztlich kann man, denke ich, gar nicht sagen, was eine “tolle Gegend” ist, sondern nur: “Diese Gegend gefällt mir, diese nicht.” Und dann kann man vielleicht noch ex post erklären, was es ist, das daran gefällig ist. Das hat aber keine Verallgemeinerungswert. Vielleicht so ein bisschen wie bei Menschen auch. Ich mag Ikumis braune Augen. Das heißt nicht, dass ich sie wegen ihrer braunen Augen mag noch dass ich andere Leute mit braunen Augen deshalb eher mag.
Wo waren wir? Ach ja: Es gibt in Mikage angeblich auch noch einen Bio-Supermarkt wo es so tolles Fleisch gibt, dass man nirgends anders mehr Fleisch essen möchte, so die Erzählung. Und einerseits bin ich wahrlich kein Fleischfanatiker, und so lässt mich die Beschreibung der Fleischqualität eher kalt. Aber andererseits ist das schon eine ziemlich steile Ansage, die getestet werden will. Aber nicht an jenem Tag, denn ein Gewitter zog auf, also ab nach Hause.
Und dann wurde ich krank. Am Montag ging ich noch in die Arbeit, am Dienstag und Mittwoch musste ich ruhen. Irgendein Erkältungsvirus, nicht C und auch nicht I. Das weiß ich, weil ich beim Arzt (“Licht Klinik”, also auf Deutsch) war. Und dort verpasste man mir einen Berg an Medizin, ich könnte damit die (jetzt wo ich es schreiben will, fällt’s mir auf: nicht existierenden!) Tauben füttern. Oder halt die Raben. (Nein, das sind beileibe keine Krähen mehr.) Das ist mir jetzt nichts Neues, aber schaut euch das mal an: für ein in zwei Tagen wieder verschwundenes Erkältungsvirus!
Und zuletzt kommt noch die Beschwerde. Ich habe jetzt am Freitag, wo ich wieder in die Arbeit konnte, gelernt, wie man Krankheitstage ins Anwesenheitssystem einträgt, über das man auch seine tägliche Ankunfts- und Heimreisezeit aufzeichnet sowie Urlaub beantragt. Und zwar: als Urlaubstage! Nein, das ist keinesfalls das Gesetz und auch nicht von der Uni so erzwungen. Es gibt natürlich Krankheitstage. Nur, so der Mensch, der mir das erklärte, solle man die besser nicht in Anspruch nehmen, wenn man noch genügend Urlaubstage hat, da sonst eine schlechte Arbeitsbeurteilung drohe mitsamt Herabsetzung des Jahresbonus und einer Verringerung der Chance auf Lohnerhöhung. Und wenn das stimmt, dann ist das zwar oarg, aber für das Land erwartbar. So funktioniert sozialer Druck und ich bin häppi, dass der Mensch ehrlich mit mir ist.
Aber so ist es ja gar nicht! Nachdem der Erklärmensch ging, erzählte mein Sitznachbar – er hatte oben schon seinen Auftritt, und weil er eine schwere und lange Krankheit hinter sich hat, kennt er das System an der Uni in dieser Hinsicht ziemlich detailliert – dass das zwar im Grunde stimme, nur trete der Fall erst ab 40 Krankheitstagen pro Jahr bzw. 30 Tagen im Halbjahr ein. Nur kenne die Regelung niemand so genau (insbesondere auch der Erklärmensch nicht), weshalb sich alle fürchten und deshalb lieber gleich vom ersten Tag an ihren Urlaub wegfiebern. Das erzählte mir der Kollege aber erst nachdem der Erklärmensch und, relevanter, meine beiden Urlaubstage weg waren. Ich will meine Urlaubstage zurück!
jetzt hab ich ganz viel nachgelesen, & aufgeholt und freu mich, dass ihr so richtig angekommen seid, klingt total danach (inkl. kranksein, weniger leiwand natürlich, aber gut, um das system kennenzulernen..), und ich kann dich trösten, mochi und omk auf der praterstraße gibt es noch (sogar ein weiteres omk am hohen markt), ursuper für nicht-japaner*innen, denke ich. nur wenn ihr mal wieder da seid, braucht ihr das sicher nicht, dann lieber auf ein gutes mehlspeiserl.. freu mich auf neue notes.. danke derweil (hab versucht, möglichst viele ö. begriffe einzubauen 😉